Das Ende ist nicht nah, es ist da!
Ich bin bekennender Fan von Musikvideos und Popkultur, verstehe den Erfolg von Lady Gaga und Katy Perry, halte Rihanna sogar für wichtig, wenn das Musikvideo eine Zukunft haben soll. Ich bedauere das Aussterben des Musik-TV’s mit ihren trashigen ewigjungen VJ’s und finde Angebote wir tape.tv ganz wunderbar. In Abwesenheit medialer Aufmerksamkeit durch Fernsehstationen war so die jahrelange Penetrierung mit Musik von Timberland einigermaßen zu ertragen, die Periode mit David Guetta viel dagegen schon etwas blutiger aus, zumindest für die Ohren. [Bitte beachten Sie jetzt das farblich angepasste Symbolbild im oberen Bereich] Wie ich jetzt schon taumelnd und angeschossen durch die virtuellen Straßen der kommerziellen Musik stolperte, kam ein gewisser Pitpull daher, brachte uns Jennifer Lopez zurück und setzte so den finalen Schuss ins Herz und sorgte für den popkulturellen Overkill.
Leider kennt aber die Musikindustrie keine Gnade und fördert den Übermut dieser drei Produzenten, die vergessen haben, dass immer ein weiterer Künstler für den wirklich interessanten Part gesorgt hat. Dieser Übermut gipfelt dann in der Kollaboration jener, mit einem wahrlich unerträglichen Ergebnis namens Pass at me. Pitbull darf neben ein paar wenig bekleideten Damen Punchlines in den Hafen schreien, während sich Timberland grunzend wie ein Affe in einer Tanzchoreo wiederfindet, die selbst Detlef D! Soost gefallen würde. Weil das alles noch nicht schlimm genug ist, darf zum Ende noch David Guetta am Plattenteller tanzen, was er in gewohnt ungelenker Manier meistert. Fehlt eigentlich nur noch das Reh für Integration, wegen der Zusammenarbeit verschiedener Kulturkreise oder so.
Um aber den kompletten kommerziellen Erfolg sicherzustellen, holte man sich noch eine Auto- und eine Biermarke ins Boot – man beachte das Wortspiel, weil ja auch ein Boot im Video vorkommt – und verschwendet nicht mal einen Gedanken, wie man das Placement charmant lösen könnte. Die Folge sind sekundenlange Produktshots, die ja noch erträgliche wären, wenn sie zum Erhalt dieses Kulturguts beitragen würden. Da sie aber so derartig ohne Herz daherkommen, wie ja auch die Künstler, bleibt eigentlich nur eine Erkenntnis: Manchmal kommt einem das Aussterben des Musikfernsehens wie eine richtig gute Idee vor.
More explosion, thats always good!
Canal+ hat ja schon auf großartige Weise die Frage beantwortet, wie der Mann in den Schrank gekommen ist. Jetzt legen die Franzosen nach – und zwar fast auf dem gleichen Unterhaltungsniveau. Nicht nur der Bär hat passion für’s Kino, auch die Jungs für ihre Spots. Teuer, groß und mit Explosion. So muss es sein!
Alte Liebe
Es ist jetzt ziemlich genau 20 Monate her, da ich meinen heimatlichen Wohnort von Hannover nach München verlagerte. Gute Wahl! mag man pawlowsch bellen und genauso reflexartig anführen, dass Hannover ja wohl die hässlichste Stadt der Welt sei, was man ja spätestens seit Harald Schmidt weiß – der ja ausgewiesener Experte der Nordmetropole ist.
Ob das jetzt alles stimmt ist eigentlich egal, weil man Städte nicht erklären sondern nur erleben kann. Selbst ein Städtetrip über ein kurzes Wochenende reicht nicht wirklich aus, um zu wissen, wie das Leben dort ist. Jeder hat sein eigenes Bild im Kopf, interpretiert Wandmalerei und Ruinen als urbane Schönheit oder eben als profan und hässlich.
Doch eine Waffe hat jede Stadt in der Hinterhand, nämlich ihren Fußballklub. Denn wer kennt eigentlich Bremen, also die Stadt? Aber schön muss sie sein, so wie die da Fußball spielen oder vielmehr gespielt haben. Berlin fungiert hier übrigens als Ausnahme von der Regel, wenn ich das mal einräumen darf. Aber auch beim Gedanken an Hannover verknoten sich die Gedanken? Was machen die denn in der Tabelle da ganz oben und warum nur schon so lange? Und warum sagt man die Roten und nicht die Grauen und sind die nicht eigentlich grün? Egal, macht die Stadt jetzt auch nicht schöner…
Nur mir bringt es die Heimat ein Stück Richtung Süden. Wenn ich fünf Minuten vor Anpfiff des Jahrhundertduells in der Euro League zum Münchner Wirt gehen muss und er auf Nachfrage sagt, er könne mir das Spiel ja auf der kleinen Leinwand anmachen. Und dann sitzt man da, mit drei mehr oder minder interessierten Menschen, die jahrelangen Fußball der Bayern im Kopf haben – dann beim Anblick des Spiels nur verstört Richtung Leinwand blicken. Die wissen nicht wie es früher war, als wir uns zu einem Remis gegen Bochum oder Bielefeld rumpelten. Die wissen nicht, wie es war, als mit Robert Enke ein Stück aus jedem Hannoveraner Herz gerissen wurde. Kennen nicht die Tränen der Spieler, die aus der restlichen Saison, die einen selber mit weinen ließen. Kennen nicht die Absurdität, wenn ausgerechnet Mike Hanke uns im letzten Spiel zum Klassenerhalt schießt – Verdammt, ausgerechnet Hanke!
Und dann steht man zwei Jahre später da, in der 75 Minute, hat den Stuhl zum Wurfgeschoß umfunktioniert, weil Schlaudraff gerade derartig von einem Sevillano von den Beinen geholt wurde, dass man den Pfiff schon hört, er aber einfach nicht kommt. Dann geht der bange Blick zum Linienrichter, der betroffen und verschämt auf seine schlaffe Fahne schaut, weil er sich erwischt fühlt, beim nicht Aufpassen. Aber sie bleibt unten, die verdammte Fahne – kein spätes Geschwenke. Ein angereichtes Bier kann mich von verursachten Sachschäden bewahren, so bleibt es bei lauten Würfen von fäkalen Vokabeln.
Es folgen anstrengende Minuten, während ums Eck Gelsenkirchen ein Torfestival feiert. Dadurch wird eure Stadt auch nicht schöner, denke ich noch in Furcht vor dem eigenen Scheitern, bis mir Jörg Wontorra und Waldemar Hartmann im Chor was von der Fünfjahreswertung ins Gedächtnis flüstern. Ist ja gut Jungs, Totschlagargument!
90 Minute plus drei, Abpfiff! Ich tanze in Fassungslosigkeit und bestelle aufgeregt eine Runde Korn. Gibtʻs nicht, nur Obstler. Dann lieber Sambucca. Kneifen hilft nicht, ist das noch mein Hannover? Und was macht eigentlich Thomas Brdaric? Egal, es kommen auch wieder schlechte Zeiten…